Die Besetzung und Blockade Gazas
Die Situation im Gazastreifen ist eine kriegerische Besatzung, gepaart mit einer Blockade. Eine uralte Taktik, den Feind zu isolieren und seine Kämpfer sowie seine Zivilbevölkerung gefangen zu halten, um sie zur Aufgabe zu zwingen.
Solche Belagerungen sind nach dem humanitären Völkerrecht verboten, denn sie zielen normalerweise direkt auf die Zivilbevölkerung ab und auf die Objekte, die für das Überleben der Zivilbevölkerung wichtig sind. Sie sind ein Verstoß gegen die Prinzipien der Unterscheidung 1, der Vorsorge 2 und das Verbot der gemeinschaftlichen Bestrafung 3.
Die Bewohner des Gazastreifens, etwa 1,8 Millionen Menschen, leben seit 1967 unter der Besatzung und seit 2007 im Belagerungszustand. Die Blockade des Gazastreifens begann in den 1990er Jahren und verstärkte sich 2007 zu einer Belagerung, als die Hamas die Macht nach der Wahl übernahm. Israel, die besetzende und belagernde Macht, hat die Landesgrenzen, den See- und Luftraum abgeriegelt und den Gazastreifen unter andauernden militärischen Druck gesetzt. Das ägyptische Militärregime hat, um seine strategischen Interessen zu wahren und um die Hamas für ihre Verbundenheit zur Muslimbruderschaft zu bestrafen, seine Grenzen zu Gaza geschlossen. 4
Die Blockade zielt darauf ab, die Freizügigkeit der Bewohner und den freien Warenverkehr einzuschränken und so die Region engmaschig zu kontrollieren, die Selbstbestimmung der Palästinenser zu unterbinden und auf diese Weise die palästinensische Regierung zu schwächen um die Bedingungen eines möglichen Abkommens diktieren zu können.
Die Blockade ist durch die Kontrolle hoheitlicher Merkmale gekennzeichnet:
- Die Einkesselung des Landes und die Schließung ziviler und wirtschaftlicher Eingangspunkte zur Verhinderung des freien Verkehrs von Menschen und Waren;
- Seeblockaden, die die Fischerei stark auf einen Radius von nur sechs von möglichen 20 Seemeilen vor der Küste (4) beschränken, sowie den Zugang zu Häfen und Gasreserven;
- Eine Pufferzone („Zugangsbeschränkte Gebiete“) innerhalb des Gazastreifens, auf 17 Prozent der Gesamtfläche, mit generell eingeschränktem Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen 5;
- Eine Schließung des Luftraumes, die sowohl Binnen- als auch internationale Flüge verhindert
Die Blockade verletzt das Recht der Palästinenser auf Freizügigkeit, denn Zivilisten können das Gebiet nicht frei betreten und verlassen oder aus dem Gazastreifen fliehen, um sich während der Militäroperationen in Sicherheit zu bringen. Das Ergebnis ist die Trennung von palästinensischen Familien, das Staatsgebiet Palästinas ist zersplittert.
Die Blockade verhindert die Evakuierung von Zivilisten ohne zwingende militärische oder sicherheitspolitische Not. Artikel 49 der 4. Genfer Konvention verbietet die Internierung von geschützten Personen durch die Besatzungsmacht „in einem Gebiet, das den Gefahren des Krieges besonders ausgesetzt ist, außer wenn die Sicherheit der Bevölkerung oder zwingende militärische Gründe es verlangen.“ 6 Der ehemalige Sondergesandte für die palästinensischen Autonomiegebiete des UN-Menschenrechtsrates, Richard Falk, hob nach den Bombardements von 2009 heraus:
Die Verweigerung von Flucht unter den Umständen der einschließenden Besatzung während derer die gesamte Bevölkerung Gazas den extremen physischen und psychischen Gefahren der modernen Kriegsführung auf sehr kleinem Gebiet ausgesetzt war, ist ein Beispiel für „unmenschliche Taten“. Man sollte nicht außer Acht lassen, dass diese Einschränkung der Freizügigkeit, die Möglichkeit einer Flucht aus einem Kriegsgebiet, einer Bevölkerung auferlegt wurde, die durch die Auswirkungen der Blockade bereits ernsthaft geschwächt war. 7
Der Bericht der unabhängigen UN Untersuchungskommission zur Militäraktion von 2014 („Operation Protective Edge“) stellte fest: „…eingeschlossen in den Gazastreifen, zeitweise ohne eine Möglichkeit, ihn zu verlassen, waren 44 Prozent Gazas entweder Sperrgebiete oder erhielten Warnungen zur Evakuierung. Diese entsetzlichen Umstände führten zu einem Gefühl des Eingeschlossenseins und der Unmöglichkeit, einen sicheren Ort aufsuchen zu können.“ Die Kommission schreibt weiter, dass „die Blockade und die Militäroperation zu einer Schutzkrise und chronischer, weitverbreiteter und systematischer Verletzungen der Menschenrechte führten, zuallererst des Rechts auf Leben und Sicherheit, aber auch auf Gesundheit, Unterkunft, Bildung und viele andere.“ 8
Trotz des Waffenstillstandes seit 2014, hat sich das Leben für die Palästinenser nicht verbessert. Laut der Waffenruhe, die ausgehandelt wurde um den Konflikt im August 2014 zu beenden, sollten humanitäre Hilfe und Baumaterialien wieder in den Gazastreifen kommen dürfen. Sie beinhaltete auch ein unbeschränktes Ende der Feindseligkeiten, die Öffnung des Grenzüberganges zu Ägypten in Rafah und eine Ausweitung der Fischereizone. Die Ausweitung der Fischereizone trat 2016 in Kraft und führte zu höheren Fangquoten, aber Militäroperationen finden weiterhin statt, humanitäre Hilfe und Baumaterialien treffen nur tröpfchenweise ein und der Grenzübergang in Rafah bleibt für einen Großteil der Zivilbevölkerung geschlossen. Er war 2015 für 32 Tage teilweise geöffnet. Von 1670 vom palästinensischen Gesundheitsministerium nach Ägypten überwiesenen Patienten durften nur 178 tatsächlich nach Ägypten einreisen. 9
Die Blockade Gazas ist das absichtliche Aufzwingen einer humanitären Krise, um die Bevölkerung für ihre politischen Wahlen zu bestrafen und um Israels militärische Ziele zu erreichen. Diese Strategie hat zu folgendem geführt:
- Ein nie dagewesenes Ausmaß an Tod und Zerstörung: über 2100 Menschen, davon 1492 palästinensische Zivilisten 10 wurden während der Operation Protective Edge getötet, 18 000 Häuser wurden schwer beschädigt oder komplett zerstört 11
- Eine zerstörte Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt ist um die Hälfte zurückgegangen, Importe und Exporte sind stark eingeschränkt und die Arbeitslosenquote gehört zu den höchsten der Welt. 12
- Zerstörung wichtiger Infrastruktureinrichtungen, wie Häfen, Wasseraufbereitungsanlagen, Kraftwerken, Krankenhäuser und Schulen.
- Mangelhafter Zugang zu sauberem Wasser: die Verfügbarkeit von Wasser liegt wegen einsickerndem Meerwasser und Verseuchung des Grundwasserleiters unterhalb der Standards der Weltgesundheitsorganisation.; 13
- Ein erhöhtes Ausmaß an „erbärmlicher Armut“ 14 und ein hohes Ausmaß an Lebensmittelknappheit: mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas leidet unter Lebensmittelknappheit 15 und 80 Prozent der Bevölkerung sind auf Hilfe angewiesen.16.
- Zerstörte Häuser und Wohnungsmangel: Weniger als 1 Prozent der Baumaterialien, die nötig wären, um in den Kämpfen zerstörte und beschädigte Häuser aufzubauen und um dem natürlichen Bevölkerungswachstum gerecht zu werden, konnten bisher in den Gazastreifen gebracht werden (Shelter Cluster, Juni 2015). 17
- Begrenzte Elektrizität, was zu regelmäßigen Stromausfällen führt
- Eingeschränkte humanitäre Hilfe aufgrund von Restriktionen und Militäroperationen.
Die Blockade macht den Gazastreifen für menschliche Besiedlung ungeeignet, unter Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und des Prinzips der Menschenwürde. Aufgrund von Wassermangel, Überbevölkerung, schlechter sanitärer Versorgung und Verschmutzung des Grundwasserleiters sowie anderer Faktoren, wird der Gazastreifen im Jahr 2020 unbewohnbar sein, glauben die Vereinten Nationen.