Familie Majdalawi Dschabaliya

Sogar das Wetter änderte sich

4 Menschen getötet

Abdelhadi Majdalawi redet gerne über die Politik und über seine Vergangenheit. Er erinnert sich an seine Zeit im Gefängnis während der ersten Intifada, an seine Arbeit in Israel und an die Sprachen, die er einst sprach und jetzt vergessen hat: Englisch und Hebräisch. „Ich sollte eine Schottin heiraten, die ebenfalls in Israel arbeitete.“ erinnert er sich. „Ich kenne diese Geschichte sehr gut“ lacht seine Frau Atef, aber hält ihn auf, bevor eine weitere alte Geschichte ausgraben kann. So ist diese Familie: geduldig, offen und liebevoll einander zugewandt.

Abdelhadi al-Majdalawi aime beaucoup causer de politique et du passé.

Abdelhadi al-Majdalawi aime beaucoup causer de politique et du passé.

Die Majdalawis mochten schon immer ein gutes Gespräch, schmunzelten über ihre Erinnerungen und waren nett zueinander. Seit der israelischen Offensive im letzten Sommer hat sich jedoch vieles verändert. „Wir hatten so ein schönes, dreistöckiges Haus“ fährt Abdelhadi fort, während er auf der Terrasse eines Mietshauses sitzt, überdacht nur von einer Plastikplane, die zwar etwas Schatten, aber kaum Schutz vor der Sommerhitze bietet. Er meint, die Hitzewelle habe etwas mit den Geschossen zu tun, die Israel in der Offensive mit dem Codenamen Protecive Edge auf den Gazastreifen abfeuerte. Natürlich hat er dafür keine rationale Erklärung. Aber es enthält eine gewisse persönliche Logik: für die Familie Majdalawi und für viele andere Palästinenser haben die Angriffe alles um sie herum grundsätzlich und oft unumkehrbar verändert. Ihre ganze Welt hat sich für immer verändert. Warum also nicht auch das Wetter?

Abdelhadi dans les ruines de la maison bombardée de la famille Al-Majdalawi.

Abdelhadi dans les ruines de la maison bombardée de la famille Al-Majdalawi.

Les frères de Talal: Abdallah, âgé de 13 ans, et Abdelrazeq, âge de 19 ans.

TALAL, verlor zwei Brüder; seinen Zwilling Abdallah (13) und Abdel Razeq (19)

Ihr Sohn Talal spielt am Computer Fußball. Er wendet die Augen nicht vom Bildschirm ab. Sollte er es doch tun, würde sein Blick auf die Portraits seiner toten Brüder fallen: sein Zwilling, der 13jährige Abdallah und der 19jährige Abdel Razeq. Es fällt schwer zu sagen, ob ihm sein Spiel überhaupt Spaß macht, der Junge lächelt selten.

Die Nächte sind am schlimmsten. Talal kann nicht einschlafen. Sein Kopf schmerzt. Alpträume kehren wieder. Der 13jährige wartet bis zum Morgengrauen, um 4 Uhr morgens verlässt er das Haus und geht mit einigen Freunden am nahen Strand schwimmen. Er tat das oft mit Abdallah. Aber im letzten Jahr warf ein israelischer Pilot eine Bombe auf sein Elternhaus. Talal stand vor dem Haus, er sah sie kommen. Anstatt wegzurennen, rannte er hinein, um seine Brüder zu warnen. Es war zu spät. Seine Brüder und seine Nichte wurden getötet. Talal erlitt eine offene Kopfverletzung.

Talal dans les ruines de sa maison. Il vit désormais avec les autres survivants de sa famille dans une maison qu'ils louent à quelques dizaines de mètres.

Talal spricht nicht viel. Meist ist sein Gesicht unbewegt, geprägt von einem ernsten, tieftraurigen Ausdruck. Er wird etwas heiterer, wenn er über Fußball spricht. „Aber er kann nicht mehr so Fußball spielen, wie früher. Er muss aufpassen, wegen der Verletzung.“ erklärt sein Freund Muhammed, als sie nach einem frühmorgendlichen Bad aus dem Meer kommen.

ABIR, hat ihre Tochter Rawan (9) verloren

Abir ist Talals ältere Schwester. Ihr Ehemann starb vor 7 Jahren, als er einen Tunnel unter Rafah grub, an der Grenze vom Gazastreifen nach Ägypten. Diese Tunnels, die inzwischen vom ägyptischen Militär stillgelegt wurden, waren wie Lebensadern für die Bewohner Gazas und ihre notleidende Wirtschaft. Nach dem Tod ihres Mannes zog Abir zurück in ihr Elternhaus und Talal wuchs mit ihren drei Kindern, seinen Nichten und Neffen auf: Rawan, Yehiya und Ahmed.

Die 9jährige Rawan war die Älteste der drei Geschwister. Sie passte auf ihre Brüder auf und half ihrer Mutter, sie versuchte den toten Vater zu ersetzen. Rawan brachte die Jungs zur Schule, passte auf, dass sie ihre Hausaufgaben machten und ging einkaufen. Der nun 5jährige Ahmed klettert auf den Schoß seiner Mutter. „Rawan kannte unsere Situation, sie verstand, dass ihr Vater tot war und ich ihre Hilfe brauchte. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht.“ sagt sie.

HIYAM UND AHMED, verloren ihr einziges Kind, Mahmoud (8)

Hiyam ist mit Abdelhadis Bruder Ahmed verheiratet. Sie bricht in Tränen aus, als sie von ihrem einzigen Sohn, Mahmoud, erzählt. „Ich habe 20 Jahre darauf gewartet, ein Kind zu bekommen.“ Sie brauchte eine Fruchtbarkeitsbehandlung, um schwanger zu werden. Sie hütete ihren Jungen sehr, sie verbrachten viel Zeit miteinander. Manchmal war Hiyam zu besorgt, um ihn aus den Augen zu lassen. „Wir haben Sandburgen gebaut, zusammen gespielt.“ sagt sie und unterstreicht, dass er sehr erwachsen für sein Alter war und die Gesellschaft von Erwachsenen oft der von Kindern vorzog.

Sie nimmt ein Fotoalbum mit Bildern von Mahmoud, ihrem Ehemann und sich heraus – Erinnerungen an das glückliche Familienleben, das sie einst hatten.

'Ataf et son mari Abdelhadi dans les ruines de leur maison.

ABDEHLADI UND ’ATAF, verloren zwei Söhne, Abdallah (13) und Abdel Razeq (19), das Enkelkind Rawan (9) und den Neffen Mahmoud

Als sie Abdallah und Abdel Razeq verloren, wurden vier weitere Kinder von Abdelhadi und ’Ataf schwer verletzt. Muhammed, 28, humpelt durch das Haus. Meist ist er still, aber manchmal explodiert er vor Wut über ihren ungerechten Verlust. Er brach sich beide Beine, hat noch Bombensplitter in seinem Körper. „Ich suchte nach einer Frau für Muhammed, als der Angriff stattfand. Seine zukünftige Frau und er sollten in eine der Wohnungen in unserem Haus ziehen; sie war für die beiden renoviert worden. Aber stattdessen fiel die Decke des Schlafzimmers auf ihn, als wir getroffen wurden,“ erzählt Atafs Mutter weinend.

 

'Atef montrant les photos de son fils Talal et de son frère jumeau, Abdallah, tué lors de l'attaque.

'Atef montrant les photos de son fils Talal et de son frère jumeau, Abdallah, tué lors de l'attaque.

Anfangs ging Abdelhadi zweimal am Tag zum Friedhof, inzwischen besucht er die Gräber noch einige Male pro Woche. Am Tag vor unserem Gespräch war eine Gedenkfeier für seine vier toten Kinder. Familie und Freunde kamen, tranken Kaffee, aßen Datteln, schauten Fotos an und erinnerten sich an die vier verlorenen Leben. „Wir halten als Familie zusammen, aber unsere Gesellschaft verschafft uns keine Freude mehr. Das Haus ist voller Dunkelheit.“ sagt Abdelhadi. Während die Familie sich mit dem Geschehenen quält, geht die Hitzewelle beständig, erbarmungslos weiter.

Mahmoud. « Nous construisions des châteaux de sable, nous jouions ensemble » dit-elle, insistant sur le fait qu'il état mûr pour son âge et qu’il préférait souvent la compagnie des adultes plutôt que celle des autres enfants.

Mahmoud. « Nous construisions des châteaux de sable, nous jouions ensemble » dit-elle, insistant sur le fait qu'il état mûr pour son âge et qu’il préférait souvent la compagnie des adultes plutôt que celle des autres enfants.

Abdallah, le frère jumeau de Talal.

Abdallah, le frère jumeau de Talal.

Menschen, die bei dem Angriff in Dschabaliya ums Leben kamen

2 August 2014

  • ABDELRAZEQ ABDEL HADI MAHMOUD AL-MAJDALAWI
    19, TALALS ÄLTERER BRUDER
  • ABDALLAH ABDEL HADI MAHMOUD AL-MAJDALAWI
    13, TALALS ZWILLINGSBRUDER
  • RAWAN AHMED YOUSEF AL-MAJDALAWI
    9, TALALS NICHTE
  • MAHMOUD AHMED MAHMOUD AL-MAJDALAWI
    8, TALALS COUSIN