Nakba


Nakba bedeutet auf Arabisch Katastrophe oder Unglück und meint die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat im Jahr 1948. Symbolisch steht es für den Verlust ihres Heimatlandes: Palästina, wie es vor dem britischen Mandat war.

Als das britische Mandat über Palästina kurz vor seinem Ende stand, schlugen die Vereinten Nationen eine „ethnische“ Teilung Palästinas vor. Diese sollte sicherstellen, dass die beiden Völker, Juden und Palästinenser, nationale Selbstbestimmung erreichen würden. Die Resolution 181 der UN Generalversammlung verlangte eine Zwei-Staaten-Lösung; der jüdische Staat würde 56 Prozent des Gebietes einnehmen, der arabische Staat den Rest, zusammengehalten würden sie durch eine Wirtschaftsunion. Die Stadt Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle gestellt werden. 1

Unter anderem sollte Jerusalem entmilitarisiert werden und allen Völkergemeinschaften sollte der freie Zugang zur Stadt garantiert sein.

Palästina war ein multinationales Gebilde, dieses in zwei Staaten aufzuteilen verlangte das Auseinanderdividieren der durchmischten Bevölkerung. Die Teilung des Mandatsgebietes Palästina bedeutete die Umsiedelung der Bevölkerung, um „Probleme mit Minderheiten“ zu vermeiden und um sicherzustellen, dass die jeweilige nationale Mehrheit die territoriale Kontrolle über die neuen Staaten hatte. 2

Die Resolution 181 wurde von arabischen Staaten und Repräsentanten der Palästinenser abgelehnt, weil ihnen trotz ihrer Bevölkerungsmehrheit das kleinere Gebiet angeboten wurde. Sie lehnten die Teilung außerdem ab, weil sie zur Selbstbestimmung über das Mandatsgebiet Palästina berechtigt waren. Die Resolution zur Teilung wurde hingegen von den Führern der Zionisten akzeptiert. Als das britische Mandat endete, wurde am 14. Mai 1948 der Staat Israel als der „jüdische Staat in Eretz Israel“ ausgerufen 3

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Umsiedlungen längst schon begonnen. Zionistische Streitkräfte hatten schon vor Beginn des eigentlichen Krieges palästinensische Dörfer angegriffen, um deren Bewohner aus dem zukünftigen jüdischen Staat zu vertreiben. Viele Palästinenser mussten wegen der Feindseligkeiten, Massaker, Plünderungen, Vergewaltigungen und Zerstörungen ihre Dörfer verlassen 4 .

Mehr als 600 palästinensische Dörfer wurden zerstört 5 und zwischen 55 und 66 Prozent der arabischstämmigen palästinensischen Bevölkerung (750 000 bis 900 000 Menschen), die dort lebte, wo der Staat Israel entstehen sollte, wurde vor und während des Krieges vertrieben. 6 Die Meisten flüchteten in die Gegenden, die später zu Westjordanland und Gazastreifen werden würden, aber auch in benachbarte arabische Länder, insbesondere den Libanon, Jordanien und Syrien.

Als das Waffenstillstandsabkommen von 1949 unterzeichnet wurde, hatte Israel mehr Gebiete erobert, als ihm laut der Resolution 181 zugestanden hätte, während die Palästinenser nun keinen Staat mehr hatten. Der Teilungsplan der UN scheiterte darin, den Rahmen für eine Zweistaatenlösung zu schaffen und die „palästinensische Frage“ steht seither auf der Agenda des UN Sicherheitsrates.

Als Antwort auf die Massenvertreibungen der Palästinenser verabschiedete die UN Generalversammlung die Resolution 194, in der verlangt wird, dass:

„…denjenigen Flüchtlingen, die zu ihren Wohnstätten zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden soll und daß für das Eigentum derjenigen, die sich entscheiden, nicht zurückzukehren, sowie für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum, auf der Grundlage internationalen Rechts oder nach Billigkeit von den verantwortlichen Regierungen und Behörden Entschädigung gezahlt werden soll“; 7

 

Der Staat Israel richtete sich jedoch nicht nach dieser Resolution, institutionalisierte sogar eine Rechtsprechung, nach der eine Rückkehr nicht möglich ist und nahm das Land in Staatsbesitz, vorgesehen für Juden die im Rahmen einer Alija (Begriff für die Rückkehr der Juden nach Palästina bzw. Israel) ankamen. 8 Ohne die Möglichkeit zur Rückkehr und der Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft wurden die vertriebenen Palästinenser aus den Gebieten, die den neuen Staat Israel formten, nun staatenlos. Heute warten noch immer 5 Millionen palästinensischer Flüchtlinge von 1948 und ihre Nachfahren auf eine dauerhafte Lösung für ihre Notlage.

 

Jedes Jahr wenn die Palästinenser sich an die Nakba erinnern, feiert man in Israel den Tag der Unabhängigkeit. Israel hat nie die Verantwortung für die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat übernommen.

  1. 1

     – „Personen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, können sich innerhalb eines Jahres vom Zeitpunkt der Anerkennung der Unabhängigkeit des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz haben, für die Staatsangehörigkeit des anderen Staates entscheiden, mit der Maßgabe, dass kein im Gebiet des geplanten arabischen Staates ansässiger Araber das Recht hat, sich für die Staatsangehörigkeit des geplanten jüdischen Staates zu entscheiden, und kein in dem geplanten jüdischen Staat ansässiger Jude das Recht hat, sich für die Staatsangehörigkeit des geplanten arabischen Staates zu entscheiden.“ Die künftige Regierung Palästinas, GA Res 181 (II), UNGAOR, UN Doc A/Res/181(II) (1947), Kapitel 3, Paragraf 1.  

  2. 2

    Siehe z.B. : Secretary of State for the Colonies, Palestine Royal Commission Report, Cmd 5479 (London: Majesty’s Stationary Office, 1937) S. 376, Absatz 20, S.378, Absatz 5, S. 380, Absätze 1-2, S. 390, Absatz 39-40, S. 392, Absatz 44.    

  3. 3

     Hinweis: Eretz-Israel beinhaltet das Mandatsgebiet Palästina, aber geht je nach Interpretation auch darüber hinaus. Die Erklärung zur Gründung des Staates Israel, vom 14. Mai 1948 Online (Englisch) Link.  

  4. 4

      Badil, Survey of Palestinian Refugees and Internally Displaced Persons, Nidal al-Azza, ed, Vol VII (Bethlehem: Al-Ayyam Printing Press, 2012) S. xxiii.    

  5. 5

     Amira Hass, “Destruction of Palestinian Villages is not a Matter of Perspective” Haaretz Online, 31. Juli 2015 (Englisch) unter: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.668820; Nakba-Karte der israelischen NGO Zochrot siehe hier: http://zochrot.org/en/site/nakbaMap   

  6. 6

    Siehe First Interim Report of the United Nations (Econonomic?) Survey Mission for the Middle East (1949) link Badil, Survey of Palestinian Refugees and Internally Displaced Persons, Nidal al-Azza, ed, Vol VII (Bethlehem: Al-Ayyam Printing Press, 2012) S. xxiii.   

  7. 7

    Progress Report of the United Nations Mediator, GA Res 194, UNGAOR, 3rd Sess, UN Doc A/RES/194 (III) (1948) Paragraph 11.  Deutsche Fassung siehe:  link    

  8. 8

    – siehe George E Bisharat, “Land, Law, and Legitimacy in Israel and the Occupied Territories” (1994) 43 American University Law Review 467 S. 503, 512-521; Donna E Artz & Karen Zughaib, “Return to the Negotiated Lands: The Likelihood and Legality of a Population Transfer between Israel and a Future Palestinian State” (1991-1992) 24 NYU Journal of International Law and Politics 1399 S.1423-1424.